Longexposure Fotografie

Fotografien die durch Langzeitbelichtungen erstellt werden wecken das Interesse des Betrachters einfach mehr als normal belichtete Aufnahmen. Das liegt daran, dass der Fotograf deutlich mehr Informationen einfangen kann, sich Lichter intensivieren, Wasser einen weichen Verlauf bekommt und der Himmel an einem wolkenreichen Tag eine schöne Struktur erhält. Durch lange Belichtungszeiten kannst du auf deinen Bildern also Dinge und Stimmungen zeigen, die SO mit bloßem Auge nicht ersichtlich sind.

Wie musst du vorgehen ?

Welche Motive eignen sich für eine Langzeitbelichtung ?

Nicht alle Motive eignen sich gleichermaßen gut. Geeignet sind in erster Linie Motive die statisch sind, zum Beispiel Architektur, Innenaufnahmen von Räumlichkeiten und Landschaftsaufnahmen. Auch Lichter in der Nacht werden umso intensiver, je länger du belichtet. Wunderbar kannst du mit dieser Technik die Lichter von sich bewegenden Fahrzeugen einfangen und die Bewegung somit sichtbar machen.  Auch Wasserflächen und Wasserfälle sind beliebte Motive, da du durch lange Belichtungszeiten herrlich weiches Wasser oder spiegelglatte Wasseroberflächen auf deinen Chip bannen kannst. Ebenso gefällig gestaltet sich die Aufnahme eines dramatischen Wolkenhimmels. Während lange Zeiten in der Dämmerung oder bei Nachtaufnahmen ohnehin notwendig werden, solltest du dir für Tagaufnahmen unbedingt einen Satz ND-Filter und/oder Grauverlaufsfilter zulegen. 

Welche Ausrüstung ist empfehlenswert ?

  • Stabiles Stativ
  • evtl. Bohnensack
  • Fernauslöser
  • Ein Satz ND Filter
  • eventuell Graufilter / Grauverlaufsfilter
  • Kamera mit BULB Funktion

Um verwacklungsfreie Bilder zu garantieren muss deine Kamera unbedingt auf ein stabiles Stativ. Hier muss jeder für sich abwägen was im wahrsten Sinne des Wortes noch „tragbar“ ist. Hast du lediglich vor ein paar Nachtlichter in der Stadt einzufangen und der Weg vom Parkplatz zum Wunschmotiv ist nicht weit, dann nimm das schwerste und größte Stativ mit, welches du Zuhause finden kannst. Möchtest du dich allerdings in aller Herrgottsfrühe den Berg zu einer Burgruine hinaufquälen solltest du das nicht zu unterschätzende Gewicht eines soliden Stativs bedenken. Ich denke hier muss jeder für sich abwägen was unbedingt sein muss und gerade noch so geht. In der Froschperspektive hat mir auch schon oft ein einfacher Bohnensack geholfen. Hierzu musst du auch kein teures Exemplar kaufen, sondern kannst einfach einen Beutel beliebiger Größe mit Kirschkernen, getrockneten Erbsen, Bohnen etc. füllen. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

Wann benötigt man einen ND Filter ?

Graufilter und Grauverlaufsfilter gibt es in verschiedenen Stärken. Du brauchst diese Filter immer dann, wenn eine lange Belichtungszeit zu überbelichteten Bilder führen würde. Um dies zu vermeiden wird das Objektiv sozusagen mit einer grauen Glasscheibe abgedunkelt, damit weniger Licht auf den Sensor trifft. Somit kannst du die Zeit je nach Filterstärke um ein Vielfaches verlängern. Diese Filter gibt es für alle gängigen Objektive als Schraubfilter. Für ein paar wenige Linsen auf die keine Filter aufgeschraubt werden können (und mein Objektiv gehört zu dieser Spezies …) muss man auf ein Steckfiltersystem zurückgreifen. Üblicherweise ist dies bei extremen Weitwinkelobjektiven und Fisheyeobjektiven der Fall. Ich habe mich für das Filtersystem der Firma HAIDA entschieden und sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Qualität ist vorzüglich und die Farben angenehm warm. Beliebt ist auch das Lee System, aber die Entscheidung zwischen den einzelnen Systemen ist Geschmacksache und letztendlich auch eine Frage des Budgets. 

Um die Auswirkung verschiedener Filterstärken zu zeigen habe ich mir ein Motiv vorgenommen, welches ich ohne Filter und mit verschiedenen ND Stärken aufgenommen habe. Hier kann man gut sehen wie die Wolken bei längerer Belichtung immer mehr an Zeichnung verlieren. Unter den Fotografien seht ihr die EXIF Daten. Außerdem könnt ihr die Bilder groß klicken.

16mm, ISO 100, F22, 1/40 Sekunden, ohne Filter

 16mm, ISO 100, F22 , 29 Sekunden, ND Filter 0,9/8

16mm, ISO 100, F22, 76 Sekunden, ND Filter 1,8/64

16mm, ISO 100, F22, 241 Sekunden, ND Filter: 3,0/10

ND Filter werden aber nicht nur eingesetzt um tagsüber Überbelichtungen zu vermeiden. Viel interessanter ist der künstlerische Aspekt. Fließendes Wasser verschwimmt bei langer Belichtung zu einer watteartigen Masse und lässt jeden Wasserfall verträumt aussehen. Auch hierzu möchte ich euch ein Beispiel mit und ohne Filtereinsatz zeigen:

Beide Bilder sind out of cam – also rein gar nichts nachbearbeitet. Ein weiterer Vorteil der Filterfotografie ist das „Verschwindenlassen“ unerwünschter Personen auf den Fotos – unten schön zu sehen. Wenn du also Fotografien siehst, auf denen der Marktplatz deiner Stadt menschenleer ist, kannst du sicher sein dass hier mit einem Big Stopper (ND 3,0) nachgeholfen wurde. Welche Filterstärke wann angewendet wird erfordert ein wenig Erfahrung und Ausprobieren. Bei einem Wasserfall im eher dunklen Wald kannst du schon gut mit einem schwachen Filter ( ND 0.6 oder 0.9) auskommen. Hast du wie auf meinen oben gezeigten Bildern sogar Sonnenschein, dann empfiehlt sich ein starker Filter ab ND 3,0. Es kann auch vorkommen, dass selbst dies nicht ausreicht, dann ist es klar von Vorteil wenn du ein Steckfiltersystem nutzt. Je nach Hersteller kannst du hier bis zu 3 Scheiben hintereinanderschieben. Leider nicht dabei hatte ich bei den unteren Bildern noch einen Grauverlaufsfilter, weshalb der Himmel gruselig weiß geblieben ist. Für Perfektionisten eigentlich unerlässlich 🙂

Die Bilder können wie immer groß geklickt werden ! 

16mm, ISO 100, F11, 44,9 Sekunden, ND Filter: 3,00/10

16mm, ISO 100, F11, 1/20 Sekunden, ohne Filter

Bei  der Verwendung von Filtern solltest du bedenken deinen Bildauschnitt festzulegen bevor du die Filter anbringst. Auch die Schärfe solltest du vorab einstellen und den Autofokus danach ausschalten, damit die Kamera nicht versucht neu zu justieren. Sind die Filter erst einmal angebracht wirst du (zumindest bei einem Big Stopper) nichts mehr durch deinen Sucher erkennen können. Da ist nun einfach alles schwarz ! Die normale Belichtungszeit ist VOR Filteranbringung zu messen. Mit dem von deiner Kamera ermittelten Wert kannst du nun in Tabellen nachschauen, um wieviel sich die Zeit bei Einsatz der verschiedensten Filter verlängert. Falls du ein smartphone besitzt kannst dir das Leben auch mit einer App einfache machen. Ich nutze derzeit  den ND Filter Timer bin aber nicht ganz glücklich, weil dieser nur die Berechnung mit einer Filterscheibe zulässt. Es gibt noch eine Unzahl weitere Anwendungen die ich noch nicht getestet habe. Für Hinweise bezüglich der ultimativen App bin ich übrigens sehr dankbar  😉 

Als kleine Hilfe habe ich euch hier eine Tabelle hinterlegt. Die solltet ihr immer in der Hosentasche stecken haben ! Draufklicken – Bild runterladen – ausdrucken – Spaß haben  😀 … Bitteschööööööööön:

Der Fernauslöser

Der Fernauslöser ...

… ist bei Langzeitbelichtungen dein bester Freund ! Am liebsten nutze ich meinen programmierbaren Funkauslöser. Um Erschütterungen zu vermeiden ist dieser kleine Helfer ein wichtiger Begleiter. Ein weiterer Vorteil ist, dass ich direkt am Auslöser die abgelaufene Belichtungszeit ablesen kann wenn ich die Kamera auf BULB stehen habe. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil ! Holprige Fummeleien an der Kamera die zu Verwacklern führen würden sind somit ausgeschlossen. Ich bin übrigens kein Freund der Infrarotauslöser. Es macht mich wahnsinnig wenn ich genau den richtigen Winkel und Abstand erwischen muss um auslösen zu können … NEVER !

Entstanden im Wald ohne Filter: 12mm, F18, ISO 100, 10 Sekunden

Ausnahmen bestätigen die Regel … wahrscheinlich hatte ich aber nur vergessen die ISO zurückzudrehen …. 19mm, F16, ISO 200, 30 Sekunden – ohne Filter in der Dämmerung

Die richtige Kameraeinstellung

Um Verwackler zu vermeiden ist bei Spiegelreflexkameras eine Spiegelvorauslösung in Betracht zu ziehen. Ich persönlich nutze sie nicht und komme auch ohne prima klar. Wenn ihr aber zu den ganz Genauen gehört, ist die auf jeden Fall eine Option das aufgenommen Foto NOCH besser zu machen. Immer aktiv ist dagegen die Rauschunterdrückung bei Langzeitbelichtung. Bei einer mehrere Sekunden lang dauernden Belichtung erhitzt sich der Sensor der Kamera, das Rauschen erhöht sich und es können unerwünschte Hotpixel entstehen. Ein paar wenige hat man mit Photoshop schnell weggestempelt, aber ich habe schon echt unbrauchbare Bilder gesehen in denen nichts mehr zu retten war.

Den Autofokus solltest du unbedingt ausschalten wenn du deinen Bildausschnitt festgelegt hast. Mit Filter über dem Objektiv würde deine Kamera nur sinnlos versuchen weiterhin scharfzustellen. Dann kannst du deinen aufgebrachten Filter wieder entfernen und von vorne anfangen ….. wie ärgerlich ! Im Dunkeln ist es ratsam das Bild über Live View ranzuzoomen und die Stelle die scharf sein soll, manuell am Fokusring einzustellen. Hilfreich ist auch das Objekt mit einer Taschenlampe solange anzustrahlen, bis der Fokuspunkt passt. Die ISO Einstellung steht bei mir grundsätzlich auf ISO 100. Du hast alle Zeit der Welt und kannst belichten solange du möchtest. Warum also ISO Rauschen in Kauf nehmen ? Absolut kontraproduktiv.

Die richtige Blende

Tagsüber bei mir grundsätzlich 11 … nachts auch gerne mal 16 bis 22. Warum ? Weil ich scharfe Fotos und Blendensterne liebe. Blendensterne sind einfach ein optischer Blickfang und lassen gut mit Blende 16 erstellen. Aufgrund der physikalischen Eigenschaften der Objektive (auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte ..) werden punktförmige Lichtquellen beim Abblenden sternförmig abgebildet. Je kleiner die Blende (also je größer die Blendenzahl) … desto ausgeprägter sind die Sternchen. Ein Heidenspaß, wie ich finde. Allerdings unterscheiden sich die Sternchen je nach Bauart des Objektives in der Anzahl der Strahlen und auch in deren Klarheit.  Mein altes Objektiv hat wesentlich schönere Sternchen hervorgezaubert wie mein neues. Na sei es drum ….. schön sind sie ja irgendwie alle. Weil ich das kleine Defizit ausgleichen wollte kam ich auf die Idee mir einen Gitterfilter zu holen: Vergesst es ! …. Es war ein Versuch wert aber ist aber weit von meinem Wunschergebnis entfernt. Bei Gelegenheit setze ich den Filter noch mal drauf und zeige euch das Resultat auf dieser Seite.

Die Sternchen - einfach schön ! 24mm, ISO 100, F22, 89 Sekunden, ohne Filter

Zum Schluß vielleicht noch eine kleine Spielerei: Langzeitbelichtung auf der Rolltreppe. Okay …. du wirst doof angeschaut und die Leute sehen nicht unbedingt jetzt DAS Motiv, laufen kopfschüttelnd an dir vorbei und machen sich lustig über dich. Aber egal …. es funktioniert 🙂

Ich hoffe ich konnte ihr habt hier ein paar Antworten auf eure Fragen gefunden. Wie immer bin ich gerne bereit über die Kommentarfunktion zu helfen. 
In diesem Sinne wünsche ich euch viel Spaß beim Ausprobieren !

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